Ich habe etwas gezögert, diesen Artikel zu schreiben. Nicht, weil ich nichts zu sagen hätte, sondern weil diese Geschichte mich aktuell verletzlich und unfertig zeigt. Und das fühlt sich nicht einfach an.
Doch während ich gezögert habe, wurde mir klar: Ich schreibe und versuche in Worte zu fassen, um etwas zu verarbeiten, das ich selbst noch nicht ganz verstanden habe. Und genau das ist vielleicht der Punkt. Vielleicht betrifft es auch dich – dieses Gefühl, mittendrin zu sein nicht am Ziel. Ich suche, frage, spüre um hin und wieder etwas verstanden zu haben. Und vielleicht liegt genau darin eine Hoffnung: Dass wir nicht perfekt sein müssen. Dass wir nicht alles durchdrungen haben müssen um unser Selbst zu zeigen und um uns verbunden zu fühlen.
Wie wird aus Fürsorge schleichend eine Überforderung?
Ich wollte nur, dass meine Katzen sicher sind – Was als praktische Lösung begann, entwickelte sich für mich zu einer emotionalen Gratwanderung.
Wir sind mit unseren drei Katzen in eine Attikawohnung gezogen. Das Wohnareal ist durch ein Geländer gesichert. Der Vormieter, der ebenfalls Katzen hatte, meinte, eine zusätzliche Sicherung sei für seine Katzen nie nötig gewesen und sie hätten auch für sich selber nie das Bedürfnis nach mehr Sicherheit für ihre Katzen benötigt. Nach Rücksprache in der Familie entschieden wir uns daher ebenfalls gegen eine Katzensicherung.
Einige Tage nach dem Umzug war es dann soweit: Die Katzen durften nach draussen. Unsere Juna hüpfte ausgelassen herum – wie ein Kalb, das nach dem Winter zum ersten Mal wieder auf die Wiese darf. Es war herzerwärmend, ihre Freude zu beobachten.
Doch bald beobachteten wir etwas, das uns beunruhigte. Juna ist eine kontaktfreudige, neugierige und abenteuerlustige neun monatige Kätzin – und es kam, wie es kommen musste: Sie begann, auf die Geländemauer zu klettern. Mit einer Geländerstange zwischen ihren Beinen balancierte sie darauf entlang. Wir konnten kaum hinsehen und befürchteten das Schlimmste. 😱
Einmal kam ich vom Einkaufen zurück, blickte zufällig vom Hauseingang nach oben – und da hing sie, mit dem halben Körper über die Brüstung gelehnt, und sah mir direkt in die Augen. Wäre sie gefallen, wäre sie mir direkt in die Arme gefallen.
Die beiden Kater waren ganz anders. Hin und wieder stellten sie ihre Vorderpfoten auf die Mauer, schauten hinaus oder hinunter – das war alles. Doch Juna bereitete mir zunehmend Sorgen. So konnte es nicht weitergehen. Es war unsere Verantwortung, für ihre Sicherheit zu sorgen. So gelassen wie unsere Vormieter konnte ich das nicht mehr hinnehmen.
Die Sorge um die Sicherheit meines Haustiers erinnerte mich an die Ängste, die ich als Mutter immer wieder durchlebe. Diese Mischung aus Verantwortung, der Sorge, dass etwas schmerzliches geschehen könnte, und dem Bedürfnis, Freiraum für eigene Erfahrungen und Entwicklung zu geben, ist eine Herausforderung, die mich oft an meine eigenen Grenzen bringt.
So auch in dieser Katzengeschichte. Als ich sah, wie Juna sich immer wieder auf die Geländemauer setzte oder darauf herumspazierte, überkam mich dasselbe Gefühl der Ohnmacht, das ich manchmal auch als Mutter spüre – der Drang, alles sofort zu kontrollieren, aber gleichzeitig das Wissen, dass nicht immer alles in meiner Hand liegt. Doch wie als Mutter, so musste auch hier eine Lösung gefunden werden.

Zu ihrer Sicherheit! Eine Lösung musste für das Verhalten von Juna gefunden und installiert werden!
Wir begannen uns mit der Frage zu beschäftigen: Wie schaffen wir eine sichere Umgebung für unsere Katzen besonders für Juna? Diese Frage ist ähnlich der, die wir Eltern uns oft stellen, wenn wir darüber nachdenken, wie wir unsere Kinder in einer (digitalen) Welt voller neuer Entdeckungen, gefahren und Herausforderungen schützen können. Die Verantwortung eine Umgebung und eine Beziehung so zu gestalten, in der sowohl Tiere als auch Kinder sicher sind, ist sicher nicht für alle Eltern/Tierhalter gleich bedeutend und Herausfordernd.
Wie geht es dir mit der Frage rund um Sicherheit? Kennst du das Bedürfnis, dein Kind (Haustier) um jeden Preis schützen zu wollen?
Wie schaffen wir eine sichere Umgebung für unsere Katzen (Baby/Kleinkinder)?
Mein Mann und ich diskutierten immer wieder über mögliche Lösungen um das Areal Katzensicher einzuhagen. Zusätzlich verbrachte ich unzählige Stunden vor dem Computer, auf der Suche nach einer passenden Lösung. Jede Option wurde durchdacht, verworfen, neu bewertet. Und dann war da auch noch der Blitzableiter am Geländer – ein weiteres Hindernis. Doch nach einem Gespräch mit einem Fachmann stellte sich heraus: kein Problem, was sich später doch als Problem herausstellte. Davon berichte ich weiter unten..
Ein weiteres Mal luden wir eine Bekannte ein, die im Tierheim arbeitet. Sie kannte sich gut mit Katzen aus und schaute sich unsere besondere Wohnsituation genau an. Nach einer Weile meinte sie: „Es gäbe noch eine Möglichkeit – ein elektrifizierbares Geflügelnetz, das man direkt am Geländer befestigen könnte.“ Das klang – endlich – nach einer machbaren Lösung. In unseren Ohren: ungefährlich, praktikabel, sicher.

Ein Weidezaun mit einem passendem Viehüter für Katzen war die richtige Wahl für unser Bedürfnis!
Am nächsten Tag nahmen wir Kontakt mit einem Anbieter auf. Wir sassen gemeinsam vor dem Computer, verglichen Angebote, bildeten uns eine Meinung und klärten in einem Telefonat all unsere offenen Fragen. Dann bestellten wir. Und ich war glücklich. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, dass eine echte Lösung zum Greifen nah war. Eine Sicherung – endlich.
Mit einer greifbaren Lösung vor Augen behielt ich die Katzen wieder konsequent in der Wohnung. Ich wollte kein Risiko mehr eingehen – nicht jetzt, wo wir so kurz davor waren, endlich Sicherheit zu schaffen.
Als dann endlich die Pakete von der Post geliefert wurden, dachte ich nur: Jetzt! Endlich! Sobald es irgendwie möglich war, machte ich mich an die Arbeit, unser Areal Katzensicher einzuzäunen. Es war mühsam, körperlich anstrengend – und ich spürte, wie meine Kräfte schwanden. Ich kam langsam aber sicher an meine Grenzen.
Weisst du, was ein Viehhüter ist?
Ein Viehhüter ist ein Gerät, das dafür sorgt, dass das Netz mit Strom versorgt wird und die Tiere vor dem Ausbügsen bewahrt. Doch als ich mir das gelieferte Gerät genauer ansah, überkam mich ein seltsames Gefühl. Irgendetwas stimmte nicht. Zur Sicherheit rief ich noch einmal beim Händler an – und meine Ahnung bestätigte sich: Dieser Viehhüter war nicht für Katzen geeignet. Ein falsches Gerät. Wieder ein Rückschlag. Also mussten wir das Gerät zurücksenden – und erneut warten. Noch mehr Verzögerung. Noch mehr Vertröstungen an unsere Katzen. Noch mehr Geduld, die ich kaum noch aufbringen konnte.
Das neue Gerät kam – und mit ihm die Hoffnung, dass das Ende endlich nah war. Ich machte mich wieder an die Arbeit, fest entschlossen, es nun zu schaffen. Doch dann stiess ich auf eine neue Hürde: „Erdstab erforderlich“ stand da in der Anleitung. Ich fuhr mir über die Stirn.
Was ist ein Erdstab?
Das schien wichtig zu sein. Aber ich hatte keinen. Ich setzte mich an den Computer und begann eine Diskussion mit ChatGPT. Und tatsächlich – meine Vermutung bestätigte sich: Ein Erdstab war nötig, um den Stromkreis zu schliessen. Ohne ihn funktionierte das System nicht.
Ich spürte, wie sich Wut in mir aufstaute. Warum hatte uns der Händler nicht ordentlich beraten? Warum musste ich an alles denken? Ich fragte den Chat, ob es Alternativen gäbe – denn in einer Attikawohnung kann man keinen Erdstab 70 cm tief in die Erde versenken. Es gab Möglichkeiten, etwa mit mit Erde gefüllten Blumentöpfen. Klingt kreativ, klang machbar – aber in dem Moment war mir das alles egal. Denn wir hatten keinen Erdstab. Und nichts Vergleichbares.
- Also: wieder warten.
- Wieder vertrösten.
- Wieder geduldig sein.
- Wieder der nächste Tag.
- Wieder ein Anruf beim Händler.
Am nächsten Tag sassen mein Mann und ich wieder am Telefon. Die Frau vom Fachgeschäft war freundlich und verständnisvoll. Mehrmals entschuldigte sie sich: „Das war mein Fehler, ich hätte nachfragen müssen …“
Sie versprach, uns den fehlenden Erdstab portofrei zuzusenden – eine kleine Entschädigung für den entstandenen Frust. Und tatsächlich: Der Erdstab kam. Jetzt war alles da. Alles, was wir brauchten.
Endlich.
Nun sollte alles gut werden. Ich war erleichtert.
Doch … Fragst du dich manchmal auch, ob du genug tust, getan hast – oder ob du vielleicht etwas Wichtiges übersehen könntest?
Wir hatten den Elektriker in der Wohnung und als er mit meinem Mann zusammen zum Ausgang ging, sah er den Zaun am Geländer und machte meinen Mann auf etwas aufmerksam, das wir doch bereits gekärt hatten: „Das funktioniert so nicht. Der Blitzableiter verhindert, dass der Strom über das ganze Netz zum Viehhalter fliesst – er wird direkt abgeleitet.“ Mein Mann kam zu mir und teilte mir diese Neuigkeit mit.
Kannst du dir vorstellen, was in diesem Moment in mir geschah?
Dieser Rückschlag war mein endgültige Zusammenbruch. Ich war verzweifelt, am tiefsten Punkt meiner emotionalen Reise angekommen. Warum kam diese Information nicht früher? Warum hatte man uns zu Beginn gesagt, der Blitzableiter sei kein Problem? Warum, warum, warum…? Doch ich hatte keine Energie mehr für diese „Warum“-Fragen. Ich hatte keine Energie mehr für die Suche nach Erklärungen. Stattdessen, mit der letzten Wutenergie, die ich aufbringen konnte, baute ich das Netz ab – und sagte meinem Mann: „Damit habe ich nun nichts mehr zu tun.“
Hast du schon einmal erlebt, wie sich dein Wunsch nach Fürsorge langsam in ein Gefühl der Überforderung und Hilflosigkeit verwandelt?
Ich warf meinem Mann das Netz vor die Füsse
Und in diesem Moment der Befreiung fand ich mich in einem Meer aus Tränen und dem Schmerz meiner Unsicherheit und des Kontrollverlust wieder. Ich hatte aufgegeben, fühlte mich ausgeliefert und entkräftet. Die ganze Anstrengung, all die Stunden und die Mühe schienen wie ein endloser Kreislauf ohne Lösung – alles umsonst.
Dabei wollte ich doch nur, dass unsere Katzen, vor allem unsere Risikobereite Juna sicher ist – und plötzlich war sie da fühlbar schmerzlich: diese tiefe Verlustangst. Mir wurde in diesem Moment klar, dass nicht die Situation selbst das Schlimmste war,
sondern die Vorstellung, eine unserer Katzen zu verlieren.
Diese Angst war der eigentliche Motor meines Handelns. In der Reflexion wurde mir bewusst, wie zentral der Wert Sicherheit für mich ist – wie sehr er mich antreibt, Dinge zu kontrollieren, um das zu bewahren, was mir wichtig und am Herzen liegt. Gleichzeitig wurde mir schmerzlich bewusst: Ich kann nie für absolute Sicherheit sorgen. Ein Restrisiko bleibt – immer. Und genau in diesem Moment tauchte das Wort Vertrauen in meinem Bewusstsein auf.
Vielleicht, dachte ich, ist Vertrauen der Halt für genau dieses Restrisiko – für das, was ich nicht kontrollieren kann … oder vielleicht auch nicht mehr kontrollieren will.
Es erinnerte mich an einen Vers, den Paulus einmal schrieb, als auch er mit seinem Team an seine Grenzen kam: „…damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt…“ (2. Korinther 1,9) Ich glaube, ich habe in diesem Moment verstanden, was er meinte. Es war nicht Resignation – es war das Gefühl, von Gott selber und seinem Geist gehalten zu sein, obwohl ich loslassen musste.
Ja – und genau an diesem Wendepunkt begann ich, über Vertrauen nachzudenken. Mit dem Unterschied, dass ich es diesmal fühlen konnte. Nicht als Idee, nicht als Konzept, sondern als etwas, das mir innerlich Halt und Perspektive gibt. Es fühlte sich an wie eine neue Freiheit. Eine Freiheit, die nicht aus Kontrolle entsteht – sondern aus dem Wissen: Ich habe getan, was ich konnte. Und jetzt darf Vertrauen den Rest tun und mein Mann weitermachen und die Katzensicherung anbringen. Ja und wer weiss vielleicht werde ich ihn dabei unterstützen!🌞
Fazit
Ich denke Rückblickend wurde mir klar: Es ging mir nie nur um die äussere Sicherheit – sondern darum, meiner tiefen Verlustangst etwas entgegenzusetzen. Das Bedürfnis, zu schützen, zu sichern, zu kontrollieren – das war mein Versuch, mit dieser inneren Unsicherheit umzugehen: der Angst, einem Verlust hilflos und ohnmächtig ausgeliefert zu sein. Diese Erkenntnis hat mich verändert und meine pädagogische Arbeit bestätigt. Wahre Sicherheit entsteht sowohl durch äussere Massnahmen als auch durch Bindung und Vertrauen. Genau das ist es, was ich in meinen Kursen weitergebe – Vertrauen in das Leben, die Bindungsfähigkeit und die Entwicklung der Kindes zu stärken. Genau deshalb liegt mir auch die Arbeit mit Eltern so am Herzen. Als Eltern sind wir immer unterwegs – nie ganz am Ziel. Solange wir mit unseren Kindern auf dem Weg sind, bleibt auch immer ein Teil, den wir nicht kontrollieren können – und auch nicht müssen. Doch genau da liegt oft die Herausforderung: Verlustangst kann uns davon abhalten, Leben und Entwicklung zuzulassen. Sie verengt unseren Blick, nimmt uns Leichtigkeit und verbraucht Unmengen von Lebensenergie – und somit oft auch die Freude am Moment.
Was wir brauchen, ist nicht die perfekte Absicherung, „nur“ um unsere Verlustangst nicht fühlen zu müssen (wir dürfen uns sollen uns in der Verlustangst lebendig fühlen, das macht uns menschlich). Dr. Gordon Neufeld beschreibt diese Fähigkeit (Adaptionsprozess) des Menschen sich von der Verlustangst nicht lähmen lassen zu müssen, sich hoffnungsvoll an das anzupassen, was nicht verändert werden kann. Denn manchmal geschehen unvorhersehbare Dinge – trotz aller Vorkehrungen. Herausforderungen, wie sie das Leben mit oder ohne Kinder mit sich bringt. Was uns in solchen Momenten hält und trägt, ist eine innere Gewissheit: dass das Pendel auch wieder in die andere Richtung schwingt. Es sind Menschen an unserer Seite, die mit uns unterwegs sind – und ein Herz, das weich, verletzlich und getragen ist. Getragen vom Vertrauen in Gott, der uns in Jesus Christus versprochen hat alle Tage unseres Lebens bei uns zu sein (Matthäus 28,20) und alles zu einem guten Ende zu führen.
Zur Zeit haben wir immer noch keine Katzensicherung
Die Katzen gehen nach draussen, und Juna spaziert – wie immer – hin und wieder auf der Mauer, die Geländerstange zwischen den Beinen. Was soll ich sagen? Ich lebe mit dem Gedanken: Ich habe alles getan – und trotzdem hat es nicht funktioniert. Ich beobachte sie heute mit einem betenden Geist, mit mehr Gelassenheit. Mit Vertrauen. Und auf die Frage: Was, wenn doch etwas passiert, bevor mein Mann das Netz montiert? – darauf habe ich keine Antwort.
Und das ist gut so.
Vertraue,
weil du bereit bist,
ein Risiko einzugehen,
nicht, weil dir etwas
sicher erscheint.
(deinbestesich)
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