In diesem Blogartikel erfährst du, warum dein Baby Berührung liebt – und warum sie für euch beide so viel mehr bedeutet als „nur“ Babypflege.
Ein besonderer Moment, der bleibt
Ich erinnere mich an eine besondere Situation während meiner Ausbildung zur Kursleiterin für IAMI Babymassage. Eine Mutter wurde gemeinsam mit ihrem Baby eingeladen, damit die Kursleiterin uns live zeigen konnte, wie man die einzelnen Griffe vermittelt. Für mich war das ideal – denn ich lerne am besten, wenn ich etwas direkt beobachten kann. Geht es dir auch so?
Welche Griffe wir damals genau gelernt haben, weiss ich heute nicht mehr. Doch ein Moment ist mir bis heute tief im Herzen geblieben – ein Moment, den ich inzwischen regelmässig auch in meinen eigenen Kursen zwischen Eltern und ihren Babys erleben darf. Es ist dieser stille, innige Augenblick der Zweisamkeit. Wenn Mutter (oder Vater) und Baby sich ganz begegnen: Blick in Blick, Haut auf Haut, Herz an Herz. Ein Moment voller Nähe, Geborgenheit, Berührung. Ein Moment, der sich anfühlt wie eine kleine Ewigkeit – weil alles für einen kurzen Augenblick stillzustehen scheint.

Treffpunkt: „Augenblick“
Warum dein Baby Berührung liebt
Ashley Montagu (*1905 in London; †1999 in Princeton) war ein britisch-amerikanischer Anthropologe und Humanist. In seiner Forschung beschäftigte er sich intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Berührung und menschlicher Entwicklung. Sein Buch Körperkontakt war Teil meiner Weiterbildung zur Kursleiterin für Babymassage – und ich kann es allen Eltern und Fachpersonen sehr empfehlen, die tiefer in das Thema eintauchen möchten.
Besonders eindrücklich finde ich Montagus zentrale Aussage:
„Die Haut ist die Seele des Menschen.“
Damit meint er, dass die Haut das erste Sinnesorgan ist, das sich im Mutterleib entwickelt – noch bevor ein Baby sehen oder hören kann. Über sie erlebt das Baby Wärme, Nähe und Zuwendung. Die Haut ist unser erstes Kommunikationsorgan und spielt eine zentrale Rolle für das Gefühl von Sicherheit und Verbundenheit.
Montagu beschreibt:
Berührung ist die erste Sprache des Menschen. Über Hautkontakt entsteht emotionale Bindung. Ein Mangel an Berührung kann sich negativ auf die Entwicklung auswirken – körperlich wie seelisch.
Darum sagt er sinngemäss:
👉 Die Haut ist nicht nur ein Organ, sondern Träger unserer innersten Erfahrungen.
👉 Sie verbindet Körper und Seele – deshalb „die Seele der Haut“.
Berührung bedeutet für dein Baby:
„Ich bin da. Ich werde gehalten. Ich bin sicher.“
Und genau deshalb liebt es Berührung – weil es sich dadurch wortwörtlich gehalten, angenommen und geliebt erfährt.

Getragen und Gehalten 🌞🌼
Der Tastsinn
Wenn wir an den Tastsinn denken, stellen wir uns meist aktives Berühren vor – greifen, fühlen, erfassen. Doch bei Babys ist das anfangs ganz anders: Sie erleben Berührung nicht aktiv, sondern vor allem passiv – sie werden berührt. Und genau darüber nehmen sie die Welt intensiv wahr. In meiner Auseinandersetzung mit dem Thema habe ich gelernt, dass es zwei Berührungssysteme gibt, über die Babys sich selbst und ihre Umgebung erleben.
💞 Berührt werden – das protopathische System
Dieses System ist schon vor der Geburt aktiv. Es reagiert auf grundlegende Reize wie Wärme, Kälte, Druck, Schmerz und Nähe. Wenn ein Baby gehalten, gestreichelt oder getragen wird, nimmt es über die Haut wahr:
Wie es berührt wird (z. B. sanft oder kräftig, warm oder kühl),
Wo es berührt wird (z. B. Rücken, Bauch, Hand),
Dass es berührt wird – und damit: Es ist nicht allein.
Diese frühen Wahrnehmungen fördern nicht nur ein Gefühl von Geborgenheit, sondern auch die allererste Ich-Wahrnehmung: „Ich bin hier. Ich werde gespürt. Ich bin sicher.“ Berührt zu werden ist also nicht nur wohltuend – es ist ein Grundstein für Vertrauen und Identitätsbildung.

Baby liebt feinfühlige, respektvolle und zugewandte Berührung.
✋ Selbst berühren – das epikritische System
Etwa ab dem dritten bis vierten Monat beginnt dein Baby, aktiver zu tasten: Es greift, führt die Hände zum Mund und entdeckt die Welt durch eigene Berührung. Dieses sogenannte epikritische System ist von Geburt an noch nicht ausgereift – es entwickelt sich erst durch Erfahrung und aktives Tun.
Entwicklung in Etappen:
0–3 Monate: Protopathisches Spüren dominiert. Babys reagieren auf Nähe, Druck, Temperatur. Greifen ist noch reflexhaft.
ab ca. 3–4 Monaten: Erste gezielte Greifbewegungen entstehen. Die Hand wird ein „Entdeckerwerkzeug“.
ab ca. 6 Monaten: Babys erkunden Gegenstände aktiv – sie drehen, drücken, tasten mit den Fingern. Unterschiede wie rau/glatt oder warm/kalt werden erfahrbar.
ab dem 1. Lebensjahr: Die Differenzierungsfähigkeit nimmt zu. Kinder setzen taktile Erfahrungen gezielt im Spiel oder beim Essen ein.
👉 Wichtig: Diese Entwicklung basiert nicht allein auf Reife, sondern auf aktiver Erfahrung. Deshalb sind Berührung, Spiel und Bewegung so wichtig – sie fördern die taktile Entwicklung von Anfang an.

Mit dem Tastsinn die Welt erforschen 💞
🧠 Merksatz:
In den ersten drei Monaten erlebt das Baby die Welt durch das Berührtwerden.
Ab dem vierten Monat beginnt es selbst zu berühren – und entdeckt die Welt mit eigenen Händen.
💡 Und wenn das Baby „selbstständiger“ wird?
Sobald dein Baby beginnt, sich aktiver mit seiner Umwelt zu beschäftigen, stellt sich vielleicht die Frage: Braucht es jetzt weniger Berührung von mir? Die Antwort lautet ganz klar: Nein.
Auch wenn dein Kind selbstständiger wird, bleibt das Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit bestehen – lebenslang.
Berührung ist und bleibt ein Grundbedürfnis. Sie bedeutet:
Du bist nicht allein.
Du musst nicht alles selbst schaffen.
Du wirst gehalten – auch wenn du schon viel alleine kannst.
Dieser Gedanke bringt uns zum nächsten Punkt: Wie Berührung – etwa durch Babymassage – euch auch über das erste Lebensjahr hinaus in Verbindung halten kann.
Wie Babymassage uns als Eltern helfen kann, mit unserem Baby im Körperkontakt verbunden zu bleiben auch über das erste Jahr hinaus
💆♀️ Babymassage – Nähe, die bleibt
Gerade weil Berührung für Babys – und auch für größere Kinder – ein lebenslanges Grundbedürfnis ist, kann die Babymassage weit über die ersten Lebensmonate hinaus eine wertvolle Verbindung schaffen. Sie bietet einen geschützten Raum für Nähe, Achtsamkeit und liebevollen Austausch – selbst dann, wenn dein Baby beginnt, mobiler zu werden, sich aufzurichten oder die Welt zu erobern.
Ein oft unterschätzter Aspekt ist dabei das Bewusstsein, das du durch den Babymassagekurs gewinnst: Du lernst nicht nur Griffe, sondern entwickelst ein Gespür für achtsamen Körperkontakt – ein Wissen, das bleibt. Diese Haltung hilft dir auch später, mit deinem älter werdenden Kind in liebevoller Verbindung zu bleiben – durch Berührung, durch Rituale, durch kleine Momente der Nähe im Alltag.
Dieses Weiterwirken der Babymassage ist ein zentraler Bestandteil meines Kurses – denn Berührung hört nicht auf, wichtig zu sein, nur weil ein Kind laufen kann.
Babymassage ist mehr als ein Kurs oder eine Technik – sie ist eine Einladung immer wieder neu:
⟶ Zurückzukommen in die Verbindung.
⟶ Zur Ruhe zu kommen – gemeinsam.
⟶ Sich durch Berührung immer wieder neu über den Tastsinn zu begegnen.
🪞 Rückbezug: Smalltalk mit dem Baby
In meinem Blogartikel „Smalltalk mit dem Baby“ beschreibe ich, wie der erste Kontakt mit einem Baby über die Sinne – vor allem über den Tastsinn – entsteht.
Dieser sinnliche Kontakt, etwa über Haut, Wärme, Bewegung, Stimme oder Geruch, ist nicht nur ein Moment der Nähe, sondern legt das Fundament für sichere Bindung – so wie es auch der Entwicklungspsychologe Dr. Gordon Neufeld beschreibt.
🌱 Bindung durch Sinne – eine lebenslanges Tür für Beziehung
Dr. Neufeld nennt die sinnliche Nähe (tasten, spüren, riechen, hören, sehen) die erste Stufe von Bindung – besonders im ersten Lebensjahr entscheidend.
Das Wunderbare: Diese Bindungsform bleibt ein Leben lang zugänglich. Auch später – im Kleinkindalter, in der Pubertät oder als Erwachsene – kann durch Berührung Nähe und Beziehung wieder spürbar werden.
💗 Der Tastsinn ist der ursprüngliche Bindungssinn.
Über Babymassage und körpernahe Rituale schaffen Eltern Beziehungsräume, die Sicherheit, Geborgenheit und tiefe Verbundenheit schenken – jenseits von Worten.
Fazit
Berührung ist für dein Baby weit mehr als „nur“ Pflege und körperliche Nähe – sie ist seine erste Sprache, sein Zugang zur Welt. Der Tastsinn bildet die Basis für Entwicklung, Bindung und Identität. Wenn du dein Baby hältst, streichelst oder massierst, gibst du ihm Sicherheit, Geborgenheit und das Gefühl, gesehen und geliebt zu sein. Und das Wunderbare ist: Diese Verbindung über Berührung bleibt – weit über das erste Jahr hinaus. Bleib im Kontakt, bleib berührbar. Dein Baby spürt das. Immer.
Hast du Fragen, Gedanken oder eigene Erfahrungen zum Artikel? Dann schreib mir gern einen Kommentar – ich freue mich auf den Austausch mit dir.
Herzlichst
Karin