„Smalltalk ist ein Kulturgut. Der Geheimtipp ist die Würdigung des Augenblicks.“ Stefan Schütz
Diesen Satz hörte ich in einem YouTube-Gespräch mit dem Titel: „Smalltalk meistern: Der Geheimtipp, den dir niemand sagt!“ Er hat mich nicht mehr losgelassen. Was genau damit gemeint ist – und warum ich finde, dass es sich lohnt, darüber einen Blog zu schreiben – das erzähle ich dir in diesem Beitrag.
Was ist Smalltalk?
„Smalltalk ist die Kunst der Kontaktaufnahme.“ Stefan Schütz
Warum machen wir Smalltalk überhaupt? Wir Menschen sind soziale Wesen. Wir wollen Verbindung zu anderen aufbauen – und sobald das gelingt, fühlt sich das Leben oft gleich ein Stück leichter an. Wenn du an einem Ort bist, an dem du niemanden kennst, und es dir gelingt, über Smalltalk mit jemandem ins Gespräch zu kommen, fühlt sich der Moment sofort besser und weniger fremd an.
„Smalltalk ist die Kunst der ersten, oft oberflächlichen, aber wertvollen Kontaktaufnahme. Er ist ein Kulturgut – gerade in unserer Gesellschaft ist es wichtig, diesen Weg der Kommunikation zu beherrschen.“ (Stefan Schütz)
Smalltalk kann überall nützlich sein: im Café, im Aufzug, bei der Arbeit oder auf dem Spielplatz. Es ist die Idee der schnellen, freundlichen Verbindung. Ein leichter Weg, der zu einem tiefen Gespräch führen kann – oder eben einfach nur ein netter Moment bleibt. Und das ist völlig in Ordnung.
Die Würdigung des Augenblicks: Ein neuer Blick auf banale Gespräche
Der Redner sagte etwas, das mich berührt hat – und mir noch besser verstehen liess, was Smalltalk eigentlich ist und wie ein gute Kontaktaufnahme gelingen kann. Vielleicht fragst du dich: „Aber woher soll ich wissen, was ich sagen soll?“ Lass mich dir ein Beispiel erzählen: Letzten Samstag war ich auf einem Flohmarkt. Eine mir unbekannte Standbetreiberin schaute mich an und sagte:
„Sie haben aber eine schöne Tasche.“
In diesem Moment hat sie den Augenblick gewürdigt😊. Wir trafen uns zufällig, inmitten all der Menschen – und sie sah mich, sah meine Tasche und eröffnete ein Gespräch über etwas, das sie gerade in dem Moment wahrnahm. Das ist die Würdigung des Augenblicks. Das ist Smalltalk. Nicht mehr und nicht weniger. Jetzt, wo ich das aufschreibe, spüre ich dieses Gefühl wieder. In diesem Moment habe ich auch gespürt, dass ein Gespräch entstehen könnte – ein einfacher, schöner Smalltalk. Aber ich war nicht in der Stimmung dafür und antwortete nur: „Vielen Dank.“ Dann ging ich weiter.
Ich hätte mich auch auf diesen Kontakt einlassen können. Vielleicht wäre daraus ein längeres Gespräch entstanden. Vielleicht nicht. Aber dieser Moment, dieses kurze Innehalten und Wahrnehmen, war bereits Smalltalk. Und darin liegt seine Kraft.

„Sie haben aber eine schöne Tasche!“
Smalltalk würdigt den Moment – mit allen Sinnen
Lass mich dir noch erzählen, was der Redner mit der „Würdigung des Augenblicks“ meinte – denn das hat mich nachdenken lassen und mir eine ganz neue Sichtweise eröffnet. Smalltalk nimmt den Moment mit all unseren Sinnen wahr: Was wir sehen, was wir hören, was wir riechen, schmecken und fühlen. Die Kunst besteht darin, den Augenblick mit unseren Worten auszudrücken – das, was wir gerade erleben, benennen.
Smalltalk beginnt oft genau hier:
- Was sehe ich gerade?
- Was höre ich?
- Was spüre ich?
- Was rieche ich?
- Was schmecke ich?
Smalltalk kann somit aus unseren Sinneswahrnehmungen entstehen. Es geht darum, den Moment mit unserer Präsenz ganz auszufüllen. Ihn zu beschreiben, zu schmecken, zu fühlen – mit echter Präsenz. Ich habe das noch nie so gehört oder erklärt bekommen. Und es hat mich bewegt. Ich beginne zu verstehen, was diese Kunst wirklich ist: Präsent sein im Moment. Im Hier und Jetzt. Und auszusprechen, was da ist – vielleicht etwas, das mich berührt, vielleicht auch etwas, das gerade schwer ist oder wehtut. Smalltalk kann so viel mehr sein als belangloses Reden. Er kann ein echtes, lebendiges Wahrnehmen des Augenblicks sein – und manchmal beginnt genau darin ein Gespräch, in dem wir uns mit unserem Gegenüber wertschätzend, verbunden und wirklich gesehen fühlen.

Die Würdigung des Augenblicks!
Smalltalk mit dem Baby
Während ich mir das Gespräch auf YouTube anhörte und die Definition des Redners verfolgte, dachte ich plötzlich: „Das ist genau das, wie wir mit Babys in Kontakt kommen – oder es lernen.“ Es erinnerte mich an das, was ich in meinem Babymassagekurs vermittle: den achtsamen, respektvollen Kontakt mit dem Baby und die Aufmerksamkeit im Moment. Denn auch mit einem Baby beginnt Verbindung durch das, was wir wahrnehmen – durch Blickkontakt, durch Tonfall, durch Berührung über unsere Sinne also. .
Während des Kurses erkläre ich den Eltern, wie Babys sich durch bestimmte Signale verständlich machen – etwa durch Zeichen der Kontaktaufnahme oder des Rückzugs – und wie wichtig es ist, diese zu erkennen und zu respektieren. Wir vom Verband der IAMI (International Assoziation of Infant Massage) ermutigen Eltern zu einem respektvollen, feinfühligen Dialog mit ihrem Baby. Und genau das erinnert mich an das, was ich zuvor über die Würdigung des Augenblicks geschrieben habe. Bindung ist kein Bauchgefühl allein – sie lässt sich verstehen, beobachten und vertiefen.
Wenn eine Mama oder ein Papa gelernt hat, die Signale ihres Babys zu erkennen – zum Beispiel, wenn es Blickkontakt hält, lächelt oder eine entspannte, offene Körperhaltung zeigt – dann können sie den Moment als Einladung zum Kontakt wahrnehmen. Und dann kann genau daraus eine Form von Smalltalk oder eine Babymassagesession entstehen: Ein spielerischer, berührender liebevoller Austausch über das, was gerade spürbar und sichtbar ist.
Ebenso gilt: Wenn Eltern Rückzugssignale wahrnehmen – etwa, wenn das Baby den Blickkontakt löst, den Kopf zur Seite dreht, quengelt, weint, sich die Augen reibt oder Schluckauf bekommt – dann würdigen sie den Moment ebenfalls, indem sie mit ihren Sinnen erfassen: Jetzt braucht das Baby eine Pause. Auch das ist aufmerksame Kommunikation. Auch das ist Smalltalk – auf seine ganz eigene, stille und zugleich tief verbundene Weise.
„Das Geheimnis für guten Smalltalk ist die Würdigung des Augenblicks!“
Stefan Schütz
Smalltalk und die erste Bindungsstufe nach Dr. Gordon Neufeld: Nähe über die Sinne
Was mich an dem Thema Smalltalk besonders berührt hat, ist seine Verbindung zum bindungsbasierten Entwicklungsansatz nach Dr. Gordon Neufeld. Dieser beschreibt sechs Stufen der Bindung, die sich – idealerweise – in den ersten sechs Lebensjahren entwickeln. Die erste und grundlegendste Form von Bindung ist die Nähe über die Sinne.
Ein Baby im ersten Lebensjahr erlebt Verbundenheit vor allem sinnlich: Es fühlt sich seiner Bindungsperson durch Berührung, Stimme, Blickkontakt, Geruch und sogar Geschmack nahe. Genau diese sinnliche Nähe ist auch das Fundament für erste Kontaktmomente – für das, was wir später Smalltalk nennen.
Darum glaube ich: Wenn wir über das sprechen, was wir gerade sehen, hören, riechen, schmecken oder fühlen, dann knüpfen wir nicht nur Worte aneinander – wir schaffen Nähe. Wir würdigen den Moment und bauen Brücken zu anderen. Smalltalk ist damit viel mehr als oberflächliche Plauderei – er ist ein intuitives Werkzeug zur Beziehungsstiftung, das tief in unserer frühkindlichen Entwicklung verankert ist.
Smalltalk nach Dr. Gordon Neufeld
Dr. Gordon Neufeld betont, wie wichtig die Bindung zum Kind ist – und dass der Kontakt nach einer Trennung stets durch ein wiederkehrendes, liebevolles Ritual aufgenommen werden sollte. Er beschreibt dieses Ritual gern anhand der Kontaktaufnahme mit einem Baby, denn: Dieses Verhalten ist uns Menschen ganz natürlich vertraut. Wenn wir uns einem Baby zuwenden, geschieht vieles ganz automatisch:
Wir lächeln, wir heben die Stimmlage, sprechen sanft und nicken vielleicht sogar leicht dabei.
Unsere volle Aufmerksamkeit gilt in diesem Moment dem Baby – wir sind präsent, achtsam, ganz im Hier und Jetzt. Wir wissen: Kontakt kann man nicht erzwingen. Und genau deshalb sind wir besonders feinfühlig, vorsichtig und offen. Wir würdigen den Moment, indem wir warten, beobachten – und das Baby mit diesem Ritual einladen, in Kontakt zu treten. Wenn es dann tatsächlich geschieht – zum Beispiel durch ein Lächeln des Babys – ist das ein berührender Moment. Ist das nicht der Himmel auf Erden? Wir fühlen uns einander nahe, verbunden, gesehen und wahrgenommen.

Smalltalk zwischen Mutter und Baby. Eine Würdigung des Augenblicks. Beide fühlen sich verbunden gesehen und berührt💞
Fazit: Smalltalk als Würdigung des Augenblicks
Er erinnert uns daran, dass wir jederzeit eine bewusste Entscheidung zur Kontaktaufnahme, zum Smalltalk treffen können – achtsam, respektvoll, liebevoll. Gerade im Alltag mit Babys, Kindern und Jugendlichen kann diese Kontaktaufnahme zu einem vertrauten Ritual werden: Zum Beispiel, wenn ein Kleinkind aus der Spielgruppe kommt, wenn das Kindergartenkind nach Hause zurückkehrt oder das Schulkind zur Mittagszeit die Tür öffnet.
Nach jeder kleinen oder grossen Trennung – sei es eine Stunde oder ein halber Tag – bietet sich der Moment an, die Verbindung neu zu knüpfen. Ein Lächeln, ein Nicken, ein echtes Interesse an dem, was gerade ist.
Und dann: das in Worte fassen, was wir in diesem Augenblick mit unseren Sinnen wahrnehmen – und damit sagen: „Ich bin da. Ich sehe dich. Ich nehme diesen Moment mit dir wahr. Ich würdige unseren Kontakt.“
Ich wage zu sagen: Smalltalk funktioniert mit kleinen und grossen Menschen ganz ähnlich. Denn wir alle lieben es, wenn jemand aufmerksam, feinfühlig und nicht einfach „mit der Tür ins Haus fällt“.
Ein bewusster, achtsamer Smalltalk schafft Verbindung – oft mehr, als viele Worte je könnten.

Smalltalk darf ohne grosse Worte alles an Gefühlen und Erfahrungen aufnehmen 🌞
Ein persönlicher Nachklang
Durch das Hören dieses YouTube-Videos habe ich den Wert von Smalltalk ganz neu verstanden – fast so, als hätte ich etwas bewusst wiederentdeckt, das mir durch den bindungsbasierten Entwicklungsansatz vertraut ist . Ich bin dankbar. Denn eigentlich braucht es so wenig. Wir können Smalltalk überall üben, überall durch unsere Sinne in Kontakt kommen: Beim Einkaufen, beim Spazierengehen, bei der Arbeit, in der Kirche oder einfach dort, wo Menschen sind.
Mit dem, was ich aus diesem Gespräch gelernt habe, erscheint mir die Kontaktaufnahme mit anderen nicht mehr kompliziert. Es geht nicht um besondere Worte, sondern darum, das, was wir im Moment mit unseren Sinnen wahrnehmen, in Worte zu fassen. Vielleicht statt dem klassischen „Schönes Wetter heute“ einfach sagen: „Sie haben aber eine schöne Tasche.“
Es braucht nicht viel – nur einen kleinen Impuls, der den Augenblick würdigt. Und manchmal beginnt genau damit etwas sehr Schönes: Ein kurzer Kontakt. Ein echtes Gespräch. Eine kleine Verbindung.
✨ Lust auf eine kleine Übung?
Wenn du das nächste Mal einkaufen gehst oder an der Bushaltestelle wartest, auf dem Spielplatz mit einer Mutter oder Vater ins Gespräch kommen möchtest – nimm wahr, was du siehst, hörst oder fühlst. Und wenn dir etwas ins Auge fällt: Sag es einfach. Vielleicht beginnt genau daraus ein schöner Moment oder eine Freundschaft 😊.
Weiterführender Impuls
Inspiriert wurde ich zu diesem Beitrag durch ein Gespräch auf YouTube mit dem Titel: „Smalltalk meistern: Der Geheimtipp, den dir niemand sagt!“ von Stefan Schütz und Tochter Kaja Mauch.
Seine Gedanken zur Würdigung des Augenblicks haben in mir etwas ausgelöst und mich zum Nachdenken gebracht – vielleicht geht es dir ähnlich.
Hier findest du das Video, das mich zu all diesen verbindenden Gedanken angeregt hat:
👉 Zum Video auf YouTube
Deine Gedanken oder Gefühle zum Thema interessieren mich sehr – schreib sie gerne in die Kommentare. Ich freue mich auf den Austausch.
Herzlichst Karin