Die Gänseblumen im Geburtstagsstrauss fielen mir sofort ins Auge. Beim Anblick überkam mich ein unangenehmes, vertrautes Gefühl – verbunden mit einer alten Erinnerung, die ich jedoch beiseite schob. Für eine tiefere Reflexion hatte ich in diesem Moment keine Zeit.
Nachdem ich mich herzlich bedankt habe und den Strauss in die Vase gestellt habe besser in einen alten Milchkrug war ich mit meinen Gedanken schon wieder ganz an einem anderen Ort. Während ich hier schreibe denke ich über den alten Milchkrug nach und denke: Ein alter Krug, ein altes Gefühl – vielleicht wollte mir diese Symbolik auch etwas Wichtiges sagen. Nachdem ich eine Weile darüber nachgedacht hatte, wurde mir klar, was genau das war. Davon möchte ich in diesem Artikel erzählen.
Das Gänseblümchen als Symbol für Schwäche und Verletzlichkeit
Während meiner Clownsausbildung im Jahr 2020 gab es regelmässig verschiedene praktische Übungen. An einem Sonntagmorgen drückte mir mein Coach ein Bild mit einem Gänseblümchen in die Hand und sagte: „Diese Blume habe ich für dich ausgewählt, spiele sie.“ Jeder Auszubildende erhielt ein Bild mit einer Blume, und das Gänseblümchen war meine. Der Coach erklärte, dass die Zuteilung der Blumen für den jeweiligen Clown immer etwas Zeit braucht, ein Prozess des gegenseitigen Kennenlernens, und dass es nicht zufällig geschieht. Er hatte also einen bestimmten Grund, warum das Gänseblümchen zu mir und meinem „ganz kleinen Clown“ passt.🤔

Das verletzliche Gänseblümchen, ein Symbol für meine Schwäche und Verletzlichkeit!
Ich erinnere mich noch genau an meine Reaktion und mein Gefühl, als ich das Bild dieser Blume in meiner Hand anschaute. Etwas laut, schmerzlich und frustriert zugleich, sagte ich, dass es alle hören sollten: „Ein Gänseblümchen ist eine kleine, unscheinbare Blume auf der Wiese, auf der jeder nach Lust und Laune herumtrampeln kann.“ Das Bild dieser Blume rief in mir genau dieses alte Gefühl hervor: ‚Auf mir, meinen Gefühlen, Bedürfnissen und Wünschen wird herumgetrampelt. Etwas in mir fühlte sich in diesem Moment wertlos und verletzlich😒.
Doch genau diese Erfahrung – die bewusste spielerische Auseinandersetzung mit Gefühlen und Emotionen – war der ursprüngliche Grund, weshalb ich mich überhaupt auf diesen Weg gemacht habe.
Während meines Studiums am Neufeld-Institut belegte ich den Kurs „Spiel und Emotion“. Gleichzeitig entdeckte ich das Seminar „Mit Emotionen spielen“ am Tamala-Institut. Das passte perfekt, dachte ich. Ich wollte mich noch intensiver – und vor allem praktisch – mit diesem Thema auseinandersetzen, um einen spielerischen Umgang mit Emotionen wie Alarm, Frustration und Trennungsängsten zu finden. Es ging mir darum, zu lernen, wie ich mit diesen intensiven Gefühlen besser umgehen und sie im Spiel integrieren kann, um so nicht nur als Mutter, sondern auch als Spielgruppenleiterin den Kindern und ihren Eltern einen sicheren und kreativen Umgang mit ihren eigenen Emotionen zu ermöglichen. Kurz nach diesem Seminar bewarb ich mich um einen Ausbildungsplatz an der Schule, und so begann mein Clownsweg voller Emotionen Lachen und Weinen.
Mit schwierigen Gefühlen und Emotionen spielen
Meine Clownsausbildung an der Tamala Clown Akademie in Konstanz war alles andere als ein Spaziergang. Sie brachte mich an die Grenzen meiner persönlichen Möglichkeiten und stellte mich emotional auf eine harte Probe. Ich wir alle durften uns spielerisch zeigen – mit all unseren Stärken, Schwächen, und allem, was uns ausmacht.
Doch gerade die Möglichkeit, Schwieriges ins Spiel zu bringen, war wie ein Tor.
Denn im Spiel gibt es keine Bedrohung – nichts ist endgültig, nichts ist gefährlich.
Spielen ist nicht „echt“ im klassischen Sinn – und genau deshalb ist es so heilsam.
Im Spiel darf alles auftauchen: Angst, Wut, Trauer, Freude – ohne Konsequenz, ohne Bewertung.
Ich konnte mich ausprobieren, alte Gefühle verkörpern, neu erleben, anders reagieren.
Das Spiel wurde zum Schutzraum – und gleichzeitig zum Wandlungsraum.
Was mir in diesem Prozess besonders geholfen hat, war eine Aussage einer Therapeutin: „Sie dürfen im Kontakt bleiben.“ Aus diesem „Ich darf bleiben“ wurde mit der Zeit ein „Ich will bleiben“ – auch dann, wenn es weh tut, wenn die alte Schamemotion aufsteigen oder mich zu überrollen droht. Du musst wissen: Eine Clownsausbildung passiert nicht im Sitzen. Sie geschieht mit dem ganzen Körper. Von Anfang an wird der Körper mit in Spiel einbezogen – und damit werden auch alte Beziehungs-Muster, gespeicherte Emotionen und tief sitzende Erfahrungen für mich machbar erlebnishaft sicht- und fühlbar. Ich bin geblieben – bis zum Schluss. Und ich habe mein Zertifikat erhalten. Ich war so stolz und dankbar 🙏🙏.

Clown Fliexi bei der Abschlussaufführung in Konstanz!
Im Schatten des Gänseblümchen – Von alten Gefühlen und neuen Wegen
Doch wie so oft bei vertrauten, tief sitzenden Gefühlen – sie verschwinden nicht einfach. Auch wenn ich das Gänseblümchen-Gefühl im Moment des Geburtstagssträusschens beiseitegeschoben hatte, blieb es in mir lebendig ist es in mir immer mal wieder lebendig also fühlbar. Es gehört zu einem alten Beziehungsmuster, das sich wie ein leiser Faden durch mein Leben zieht: das Gefühl, übersehen oder ignoriert zu werden. Wie das Gänseblümchen 🌼🌼🌼
Und gerade dieses Gefühl suchte sich in stillen Momenten immer wieder seinen Weg zurück an die Oberfläche – besonders in Beziehungen und in verletzlichen Momenten. Es ist, als würde das alte Gefühl von damals sich in eine neue Situation einschleichen, sich darin einnisten, ohne dass ich es bewusst will. Wie eine stille Projektion, legt es sich über das Gegenüber, eine Situation, ein Ereignis– und ich sehe, höre oder spüre nicht mehr den anderen, sondern mein altes Gefühl.
Wann hast du dich zuletzt in einer Begegnung kleiner, übersehen oder weniger wichtig gefühlt – und was erinnerte dich daran?
Ist dir aufgefallen, dass ich bis jetzt „nur“ die eine symbolhafte Seite des Gänseblümchens beschrieben habe? Die kleine, sanfte, verletzliche (verletzte) kindliche Seite, die wir alle in uns tragen. Als Menschen sind wir verletzlich, klein, wie ein Sandkorn in der Masse der Menschheit. In der Bibel steht in 1. Mose 3,19, dass wir wie Staub sind – eine Symbolik für unsere vergängliche und verletzliche menschliche Natur.
Die andere Seite des Gänseblümchen
Und dann begann die andere Seite des Gänseblümchens zu entdecken– hast du gewusst, dass es noch mehr ist als nur eine zarte, verletzliche Blume? 🌞Wenn du genau hinschaust, entdeckst du, dass das Gänseblümchen auch eine erstaunliche Widerstandskraft besitzt. Es wächst in den schwierigsten Bedingungen, trotzt Frost und Schnee, und ist ein echtes Überlebenskünstler. Es ist klein, ja – aber unaufhaltsam. Es wächst weiter, auch wenn man es niedertrampelt.💪💪💪
Dr. Gordon Neufeld beschreibt diese Widerstandskraft als eines der drei Potenziale mit denen ein Baby auf die Welt kommt. Er nennt es den Adaptionsprozess.
„Hier liegt die Wurzel dafür, wie wir resilient und erfinderisch werden und uns von Schicksalsschlägern erholen.“ ( aus Vertrauen Spielen Wachsen Kinder unter Sieben verstehen (und alle, die sich so benehmen) von Deborah MacNamara)
Und vielleicht steckt genau in diese unerschütterlichen Widerstandskraft eines Kindes eine weitere, tiefere Wahrheit, die wir in uns entdecken dürfen. Wir sind nicht nur verletzlich. Wir haben auch die Kraft in uns, uns immer wieder aufzurichten, anzupassen und in Beziehung oder Bindung neu zu wachsen. In diesem Blog habe ich das eindrucksvoll beschrieben: Traumatisierte Trennungsangst überwinden: Eine Spielgruppen-Fallstudie
Oft wird das menschliche Potenzial in der Kindheit blockiert. Der kleine Mensch entwickelt sich innerhalb eines bestimmten Rahmens, in der Beziehung zu seinen Bezugspersonen oder den Gegebenheiten, und erreicht irgendwann eine Grenze. Diese Grenze, so schmerzhaft es auch sein mag, entsteht aus der Verletzlichkeit. Ein Kind, das immer wieder in seiner Sensibilität und Verletzlichkeit auf Widerstand stösst, erfährt irgendwann, dass es Teile seines wahren Selbst unterdrücken muss, um den Erwartungen gerecht zu werden. So stockt seine Entwicklung.
Es wird dann nur eine Seite des Menschseins erfahrbar – die Seite, die sich anpasst, die sich zurücknimmt, die versucht, das Bild zu erfüllen, das von ihm erwartet wird. Und wenn wir bei unserem Symbol des Gänseblümchens bleiben, kann es sein, dass nur die eine Seite des Gänseblümchens erfahrbar wird – die kleine, verletzliche Seite. Doch was passiert mit der unaufhaltsamen Kraft, die ebenfalls in diesem kleinen Pflänzchen steckt? Was passiert also mit dieser unaufhaltsamen Kraft, die in uns allen steckt? Die Antwort darauf kann ganz unterschiedlich ausfallen. Es gibt zwei mögliche Reaktionen, die jeder von uns wählen kann…“
- Die erste Möglichkeit ist, dass ich als erwachsene Person das Opfer meiner eigenen Geschichte bleibe – das Opfer meiner Gefühle, meiner Verletzlichkeit, meiner Vorfahren. Ich lebe loyal zu dieser Seite von mir, die immer wieder von den alten Wunden bedroht wird. Diese verletzliche Seite, die in Beziehungen ständig das Gefühl hat, verletzt, bedroht, manipuliert oder übersehen zu werden, bleibt in einem ständigen Zustand der Anspannung, weil sie jederzeit das Risiko eingeht, wieder verletzt zu werden. Wenn wir uns für diesen Weg entscheiden, bleibt unsere Lebensenergie gefangen und in den alten Bindungs-Mustern verwoben. Es kann sein, dass wir durch die Bindungskraft der Loyalität mit unseren Vorfahren verbunden bleiben und die Schatten der Vergangenheit mit uns herumtragen.

Das Gänseblümchen ein Symbol für die menschliche Schwäche und Verletzlichkeit.
- Die zweite Möglichkeit besteht darin, mit dieser ersten schmerzlichen Trennungs-Erfahrung in Kontakt zu treten. Diese Erfahrung kann zu einer Art „Auferstehung“ führen, zu einer neuen Perspektive, einer anderen Erfahrung. Ich kann akzeptieren, dass die erste schmerzhafte Erfahrung zwar Teil meines Lebens ist, aber dass es auch noch eine andere Seite gibt, die darauf wartet, entdeckt zu werden. Vielleicht wollte mir das Symbol des Gänseblümchens während meiner Clownsausbildung genau das sagen: „Hey Karin, da gibt es noch eine andere Seite in dir, eine Seite, die du schon lebst, ohne es wirklich zu merken.“

Das Gänseblümchen symbolisiert nicht nur die verletzliche Seite, sondern auch die Fähigkeit, trotz widriger Umstände immer wieder aufzublühen. Es erinnert mich daran, dass wahre Stärke oft leise ist: die Fähigkeit, sich dem Leben anzupassen, wo es sich nicht ändern lässt – und dennoch kreative Wege zu finden, um weiterzuwachsen.
Eine Pendelbewegung zwischen Schmerz und Leichtigkeit
Wegen dieser zweiten Seite gibt es überhaupt diesen Blogartikel. Weil ich erkannt habe, dass die eine Seite nicht die ganze Wahrheit über mich erzählt. Dass da auch etwas Starkes in mir lebt – etwas, das immer wieder aufsteht, auch wenn es niedergetrampelt wurde. Diese Erkenntnis wollte geschrieben werden. Sie wollte sichtbar werden – für mich, und vielleicht auch für dich. Denn oft beginnt Veränderung genau da, wo wir beginnen, unser inneres Wissen in Worte zu packen. Der Clown begleitet mich auf diesem Weg. Er lebt in der Bewegung des inneren Pendels – zwischen Schmerz und Leichtigkeit, Rückzug und Ausdruck. Er fürchtet sich nicht vor der Schwingung, sondern macht sie sichtbar. Er erinnert mich daran: Ich darf beides sein. Ich bin beides. Die, die fällt – und die, die aufsteht. Die, die fühlt – und die, die spielt.
FAZIT
Vielleicht hat mein ehemaliger Ausbildner an der Clownsschule tatsächlich die Biologie des Gänseblümchens gekannt – und in mir, dem kleinen, schüchternen Clown, diese stille Stärke gespürt. Vielleicht hat er sie mir bewusst oder unbewusst zugesprochen. Wie auch immer es war – das Gänseblümchen hat sich in mein Herz geschlichen. Seine Symbolik passt wunderbar. Sie hat die Kraft, menschliches Potenzial sichtbar zu machen – das Zarte wie das Unaufhaltsame. Es ist ein Bild, das mich menschlich vervollständigt – wenn ich das so sagen darf.
Ich bleibe und lasse mich nicht durch Trennungsangst vertreiben
Ich wachse, spiele, trotze, vertraue und stehe immer wieder auf
Ich bin sichtbar und unsichtbar
Ich bleibe und Du?
Herzlichst Deine
Karin
Lese weiter der spielende Gott
Dieser Blog ist ein gemeinsames Werk – entstanden mit der Unterstützung einer KI, die mich während meines kreativen Prozesses des Schreibens begleitet hat. Sie hat mir insbesondere in der Grammatik, im Satzbau und bei passenden Formulierungen geholfen. Danke an die Technologie!