Wenn es dir wie mir geht, denkst du beim Wort „Geborgenheit“ vermutlich zuerst an ein warmes, wohliges Gefühl – und emotionale Nähe – an Nestwärme🪹. Genau darauf wollte ich meinen Artikel eigentlich gründen. Doch bei meiner Recherche bin ich noch auf tiefere Zusammenhänge gestossen, die mich überrascht und nachdenklich gemacht haben.
Geborgenheit – ein Wort mit Geschichte und neuer Bedeutung in unserer Zeit
Wusstest du, dass „Geborgenheit“ vom althochdeutschen „bergen“ kommt – und früher vor allem Schutz und Rettung bedeutete? Früher sprach man davon, einen Schatz oder Menschen aus Gefahr zu bergen. Es war ein Wort das im Zusammenhang für äusseren Schutz gebraucht wurde.
Das Wort „*Geborgenheit“ hatte in alten Zeiten
nicht dieselbe Bedeutung und emotionale Tiefe
wie wir es heute verstehen und im Sprachgebrauch anwenden.
Ein Wort mit Geschichte – und einer neuen Tiefe
Heute verbindet sich Geborgenheit mit einem viel tieferen Gefühl, besonders in der Beziehung zwischen Mutter und Baby. Dieses innere Gefühl, das wir heute so selbstverständlich nennen, ist tatsächlich eine junge Entdeckung. Erst in der Mitte des 20. Jahrhunderts, durch den Bindungs-Forscher wie John Bowlby, wurde klar, wie wichtig die emotionale Nähe und das sichere Angewiesensein für Babys sind. Dass Geborgenheit und Nestwärme nicht nur ein „nice to have“, sondern ein „must have“ für die gesunde Entwicklung eines Kindes ist.

Auch Kinder brauchen ein Nest und Nestwärme bis sie Erwachsen sind 🌼
Sichere Bindung nach John Bowlby
Beim Nachdenken und Recherchieren wurde mir klar, dass Geborgenheit ein ganz besonderes deutsches Wort ist. Es gibt keine genaue Entsprechung in anderen Sprachen, doch das Gefühl dahinter – dieses innere Aufgehoben-Sein – kennen Menschen weltweit in allen Kulturen.
Die emotionale Tiefe, die wir heute mit Geborgenheit verbinden, findet in der modernen Bindungsforschung ihren fachlichen Ausdruck. John Bowlby beschreibt in seiner Theorie das, was er als secure attachment – sichere Bindung – bezeichnet.
Obwohl sichere Bindung und Geborgenheit eng miteinander verbunden sind und im Kern dasselbe beschreiben – ein Gefühl von Sicherheit, Vertrauen und Nähe – kommen sie aus unterschiedlichen Sprach- und Wissenswelten.
Bowlby prägte den Begriff der „sicheren Bindung“ als wissenschaftliches Konzept, das beschreibt, wie eine vertrauensvolle, schützende Beziehung Babys Halt gibt und ihre Entwicklung fördert.
Geborgenheit dagegen ist ein tief emotionaler, deutscher Begriff, der sich wie oben beschrieben in unserem Verständnis gewandelt hat.

Im Wandel der Zeit.
Sind „Geborgenheit“ und „sicherer Bindung“ zwei Seiten derselben Medaille?
Während Bowlbys „sichere Bindung“ das wissenschaftliche Fundament legt, bringt „Geborgenheit“ das fühlbare Herz 💞 zum Ausdruck. Für viele Eltern ist es evt. leichter, sich mit dem Wort „Geborgenheit“ zu verbinden, weil es unsere Sehnsucht nach Wärme, Schutz und Nähe direkt anspricht.
Deshalb plädiere ich dafür, im deutschsprachigen Raum öfter von „geborgener Bindung“ zu sprechen – denn so fühlen sich die Inhalte von Bowlbys Forschung für uns mehr nach Heimat und weniger nach Fachbegriff an.
Für viele Eltern macht es einen grossen Unterschied, diesen emotionalen Begriff Geborgenheit zu kennen und Geborgenheit zu fühlen – denn Geborgenheit spricht unser Herz an, während sichere Bindung vor allem ein wissenschaftlicher Fachbegriff bleibt.
Das Verständnis einer Mutter
Einmal sagte ich zu einer Mutter im Kurs: „Ich sehe, wie tief dein Baby mit dir verbunden ist.“ Sie schaute mich an, sichtlich erleichtert, und antwortete: „Oh, gut. Ich habe mich schon gefragt, ob mein Kind sicher gebunden ist.“ Ich spüre noch heute ihre Unsicherheit. Diese stille Sorge, ob das, was sie gibt, wirklich genügt. Ob es reicht. Heute würde ich sagen: Ja, natürlich. Denn aus der Geborgenheit, die das Kind in deiner Nähe erlebt – im Körperkontakt, im Blick, in deiner Stimme – entsteht Bindung. Eine Bindung, die wurzelt. Geborgenheit und körperliche Nähe ist nicht „zu wenig“.
Im deutschen Sprachraum haben wir Bowlbys Theorie übernommen und seine Begriffe übersetzt.
Vielleicht sollten wir, wenn wir von sicherer Bindung sprechen, lieber von geborgener Bindung sprechen.
Persönlich fühle ich mich mit dem Begriff „geborgene Bindung“ besser verstanden und
irgendwie mehr mit meinem Herzen in unserer Kultur verwurzelt.
Was meinst du?

Geborgenheit gibt Nähe in der Beziehung 💞
Geborgenheit ist der Ursprung und die Grundlage für sichere Bindung.
Babys, die in der liebevollen Beziehung zur Mutter (oder zu ihren Bezugspersonen) fürsorgliche Pflege erfahren, fühlen sich sicher und aufgehoben. Dieses Gefühl von Geborgenheit wirkt sich unmittelbar auf ihren gesamten Organismus aus: Es löst Stress ab, beruhigt das Nervensystem und schafft Raum für Entwicklung und Wachstum. Nur wenn sich ein Baby geborgen fühlt, kann es reifen und sich entwickeln – körperlich, emotional und geistig.
So wie ich das verstehe wollt John Bowlby mit seiner Theorie nicht Gefühle ersetzen, sondern erklären, warum Liebe, Nähe und Verlässlichkeit für ein Kind so zentral sind. Er hat sozusagen mit wissenschaftlichen Worten beschrieben, was viele Eltern ohnehin fühlen:
„Mein Kind braucht mich. Es braucht meine Nähe. Es braucht mich echt, nicht perfekt.“ Aber wenn die Theorie zu sehr ins Technische kippt – und das passiert leider oft – kann der Eindruck entstehen, als ob es ein System zum Abarbeiten ist. Und ja dann wird Eltern sein und Erziehung zur Leistung und wir steuern in ein Burnout.
Dabei ist Bindung zutiefst menschlich, lebendig und fühlbar.
Damit komme ich zum nächsten Punkt:
Geborgenheit entsteht in Beziehung
Geborgenheit ist nicht etwas, das ein Baby „in sich“ selber erzeugen kann – sie entsteht in Beziehung.
Dieser Satz klingt zuerst ganz selbstverständlich. Und ich denke, du bestätigst diese Aussage mit einem Kopfnicken 😊. Und dann beim weiteren nachdenken spüre ich – wie viel Schwere diese Aussage mit sich bringen kann.
Denn was, wenn ich selber diese Geborgenheit als Kind nie wirklich erlebt habe? Was, wenn Beziehung in meiner Kindheit nicht der Ort war, an dem ich mich gehalten, gesehen, geborgen gefühlt habe – sondern etwas ganz anderes? 🤔
Ich merke, dass dieser Gedanke etwas in mir aufrührt. Dass er an eine tiefe Sehnsucht rührt – und gleichzeitig an eine alte Schutzschicht, die sich wie eine Mauer anfühlt. Lange Zeit habe ich versucht, mir Sicherheit übers Denken zu holen. Über Wissen, Bücher, Theorien. Und ja – das hat mir Halt – Sicherheit gegeben.

Der Verstand kann Geborgenheit denken. Doch das Herz kann Geborgenheit fühlen.
Geborgenheit ist kein Konzept, sondern ein 💞 Herz-Gefühl
Doch heute weiss ich, Geborgenheit ist mehr als ein Konzept mehr als ein Handwerkzeug. Geborgenheit entsteht nicht im Kopf. Geborgenheit wächst im wärmenden Bindungs-Raum, in der emotionalen Nähe zwischen einer Mutter, Eltern, Bezugsperson und ihrem Baby – Kind.
Durch die Geborgenheit in Beziehung wächst eine tiefe innere Sicherheit – ein echtes Gefühl von Gehalten sein, auch wenn draussen vieles unsicher ist. In Blicken, Berührungen, im Gesehen werden, in Loyalität, Wertschätzung, im Geliebt werden und im Vertrauen dürfen – genau dadurch entsteht dieses warme, unerschütterliche Zuhause im Herzen – so, wie es Dr. Gordon Neufeld in seinem bindungsbasierten Entwicklungsansatz und seinen sechs Bindungsstufen beschreibt.
Neufeld geht davon aus, dass Kinder mit einem Bindungspotenzial auf die Welt kommen, das sich idealerweise in den ersten sechs Lebensjahren entfalten darf. Dabei entwickelt sich das Bedürfnis nach Nähe auf unterschiedlichen Ebenen – Schritt für Schritt, Jahr für Jahr:
- Im erstes Lebensjahr erfahren Babys Nähe über die Sinne
- Im zweiten Lebensjahr erfahren Kleinkinder Nähe über Gleichheit
- Im dritten Lebensjahr erfahren Kleinkinder Nähe über Zugehörigkeit und Loyalität
- Im vierten Lebensjahr erfahren Kleinkinder Nähe über Wertschätzung
- Im fünften Lebensjahr erfahren Kleinkinder Nähe über Liebe
- Im fünften Lebensjahr erfahren Kleinkinder Nähe durch Vertrautheit
Jede dieser Wurzeln entwickelt sich individuell, je nachdem wie viel Raum, Zeit und emotionale Resonanz ein Kind erlebt. Sind sie gereift, ermöglichen sie einem Menschen, auf vielfältige Weise Nähe, Geborgenheit zu erleben und Bindung einzugehen.

Ohne Wurzeln geht gar nicht 🌼🤔
Was, wenn wir selbst nie Geborgenheit erfahren haben
Und das ist vielleicht das Schwierigste in der Auseinandersetzung mit Geborgenheit und Nestwärme: Zu spüren, dass ich vielleicht selber das nie herzlich und ganz sondern gebrochen erlebt habe – Vielleicht fragst du dich beim Lesen:
- Wie war das bei mir?
- Gab es jemanden, bei dem ich einfach sein durfte – als Kind?
- Und wenn nicht: Was macht es mit mir, das heute zu erkennen?
Ich glaube, es braucht Mut, sich diesen Fragen zu stellen. Warum? Weil es schmerzt, sich einzugestehen, dass man vielleicht ohne oder mit wenig Geborgenheit aufgewachsen ist. Diese Erkenntnis kann sich anfühlen wie eine bittere Einsamkeit, ein Alleinsein in der Welt – als hätte man wie ein Waisenkind ohne Liebe und Zuwendung den Weg gehen müssen. Und das ist einfach nur traurig.😭So lernt ein Kind:
„Ich darf nichts brauchen.“
„Ich muss stark sein.“
„Wenn ich mich zeige, werde ich verletzt.“
Als Erwachsene fällt es uns dann oft schwer, Geborgenheit zuzulassen – oder uns überhaupt danach zu sehnen? Der Bindungsforscher John Bowlby formulierte es so:
„What cannot be communicated to the mother, cannot be communicated to the self.“
Was wir als Kind nicht mit der Mutter teilen oder ausdrücken konnten, bleibt uns oft auch selbst unzugänglich. Ohne eine Beziehung, in der wir gehört, gesehen und gespiegelt wurden, fehlen uns nicht nur Worte – sondern oft auch das innere Gefühl für das, was in uns lebendig ist.

Eine Mutter gibt ihrem Kind Leben und Identität.
Konflikt zwischen Geborgenheit und Selbstständigkeit
Zwischen Bedürftigkeit und Selbstständigkeit
Während meiner Auseinandersetzung mit dem Thema wurde mir wieder ein persönlicher innerer Widerspruch bewusst: Wenn Geborgenheit in Beziehung entsteht – und Beziehung immer auch Abhängigkeit bedeutet –
was passiert dann, wenn wir in unserer Kindheit genau diese Abhängigkeit als Gefahr erlebt haben?
Viele von uns mussten früh lernen, stark zu sein, auf eigenen Beinen zu stehen. Vielleicht, weil niemand da war, der zuverlässig fürsorglich war. Vielleicht, weil Bedürftigkeit beschämt, ausgelacht oder übersehen wurde. Vielleicht weil der Wert Selbstständigkeit wichtig war.
Heute wird in unserer Gesellschaft, in unserer Kultur – besonders im deutschsprachigen Raum – viel Wert auf Selbstständigkeit gelegt, vor allem in der Erziehung. Aber was, wenn dieser starke Fokus uns und unsere Kinder zugleich von einem ebenso wichtigen Grundbedürfnis entfernt? Von dem Bedürfnis nach Geborgenheit. Nach emotionaler Nähe. Nach einer Beziehung, in der wir herzlich versorgt werden – oder versorgen dürfen.
Was, wenn echte Reifung nicht durch frühe Unabhängigkeit geschieht, sondern durch das Erleben von Nestwärme in Beziehung?
Was Kinder wirklich stark macht
Wir dürfen unseren Kindern (und uns selbst) Zeit lassen – zum Wachsen, zum Reifen, zum Werden. Denn Selbstständigkeit ist keine Leistung, die früh erbracht werden muss. Sie ist eine Frucht – die aus Nestwärme wächst. Und wenn wir ehrlich hinschauen: Ein Kind ist nicht mit 3, 6 oder 10 Jahren „fertig“. Volljährig wird es hier in der Schweiz mit 18 – und auch dann sind viele Entwicklungsprozesse noch längst nicht abgeschlossen.
Vielleicht dürfen wir uns also fragen: Wollen wir unsere Kinder zur Selbstständigkeit erziehen – oder ihnen bis sie Volljährig Geborgenheit und Nestwärme schenken, damit Selbstständigkeit in unseren Kindern in ihrem individuellen Tempo entstehen kann? Ich glaube: Ein Kind, das sich wirklich geborgen fühlt, wird sich früher oder später selbstständig machen – aus dem sicheren Nest heraus. Nicht, weil es gedrängt wird, sondern weil es sich stark und gehalten genug fühlt, diesen Schritt zu wagen. Meine Erfahrung mit kleinen und grossen Kindern lehrt mich nichts anderes 🌞.

Wenn ein Baby selbstständig wird heisst es nicht unbedingt dass es selbstständig ist 🤔
In meinem Blogartikel „Traumatisierte Trennungsangst überwinden: Eine Spielgruppen-Fallstudie“ beschreibe ich die Geschichte eines Mädchens, dass sich mit Recht mit Haut und Haaren geweigert hat ohne Geborgenheit in den Kindergarten zu gehen. Vielleicht braucht es weniger Anleitung zur Unabhängigkeit – und mehr Vertrauen in die Kraft von Bindung und Nestwärme.
Fazit: Wenn sich Herzen zuwenden – Geborgenheit als heilende Kraft für eine nächste Generation
In der Bibel lesen wir in Maleachi, dass Gott verspricht, die Herzen der Eltern den Kindern zuzuwenden – und die Herzen der Kinder den Eltern. Die Bibel sagt, dass das durch seinen Geist geschieht (Römer 5,5) – den Heiligen Geist – der in uns das bewirkt, was wir aus eigener Kraft oft nicht schaffen: Herzenszuwendung 💞
„Er wird das Herz der Väter den Kindern zuwenden und das Herz der Kinder ihren Vätern,
damit ich das Land nicht mit dem Bann schlagen muss.“ Maleachi 3,24
Vielleicht ist das der tiefste Ursprung von Geborgenheit: Wenn Herzen sich zuwenden, entsteht Nähe, Vertrauen und Wärme – das, was ein Kind (und auch ein Erwachsener) braucht, um sich sicher und geliebt zu fühlen.
Ich frage mich: Könnte es sein, dass Geborgenheit genau da wächst – wo das Herz offen ist und offen verletzlich bleiben darf? Oder sich wieder öffnen darf? Nicht nur bei kleinen Kindern, sondern auch bei uns Erwachsenen? Und könnte es sein, dass Gott sich wünscht, dass genau dort Heilung und Wiederherzstellung für eine neue Generation beginnt: Im Herzenskontakt – in Beziehung – im Vertrauen? In meinem Blogartikel „Pfingsten im Kinderzimmer – ein Moment, der alles verändert“ erzähle ich von einer persönlichen Begegnung, die mein Herz meiner Tochter gegenüber geöffnet hat – und wie daraus echte Nähe und Geborgenheit entstehen und wachsen konnte.
Schreibe mir gerne, wenn du magst, deine Meinung oder deine Gedanken. Ich freue mich von dir zu lesen
Karin
Information: Dieser Blogartikel ist in einem intensiven Schreibprozess entstanden – begleitet von vielen Fragen, Erkenntnissen und inneren Bewegungen. Unterstützt wurde ich dabei von ChatGPT, einer KI, die mir half, Gedanken zu klären, Texte zu strukturieren und Worte mit meinem Herzen in Einklang zu bringen.