Im Turm der evangelischen Kirche in Romanshorn haben dieses Jahr wieder Falken ein Nest für ihre Jungen gebaut. Durch eine Webcam können wir die Jungvögel beim Wachsen beobachten. Hoch oben im sicheren Nest werden sie von ihren Eltern versorgt, bis sie flügge sind. 🪹
Eines Tages, wenn sie gewachsen, entwickelt und bereit zum Fliegen sind, wird der grosse Moment kommen: Vom Instinkt geleitet und von starken Flügeln getragen verlassen sie zum ersten Mal das Nest – und erobern von nun an den Himmel. 🐦🔥
Die Falkeneltern haben für diesen Tag alles gegeben. Ihre Aufgabe war es, ein sicheres Nest zu bauen, die Jungen zu wärmen und zu füttern. Das eigentliche Wachstum aber hat die Natur übernommen. Falken tragen das Potenzial in sich, fliegende Falken zu werden – Dieses Wachstum ist in ihrem biologischen und genetischen Bauplan verankert. ⚓
Mensch sein – und doch (noch) nicht menschlich handeln
Bei Tieren ist es selbstverständlich: Sie tragen einen genetischen Code in sich, der sie zu dem macht, was sie sind. Ihr Verhalten, ihr Wachstum, ihre Reifung – all das ist in ihrer Natur verankert.
Körperlich sind wir als Menschen klar erkennbar – doch das, was uns wirklich menschlich macht, ist mehr als Biologie. In uns liegt ein innerer Bauplan für Menschlichkeit: In uns ruht das Potenzial, ganz wir selbst zu werden, uns einfühlsam in andere einzufügen, den Schmerz des Unveränderbaren zu tragen – und dabei mutig ins Leben hinauszutreten. Doch dieses Wachstum braucht Geborgenheit – Nestwärme, Beziehung – und Zeit.
Ohne diese Bedingungen kann unsere Menschlichkeit verkümmern, obwohl sie in uns angelegt ist. Darum sind wir nicht nur geboren, um zu existieren – wir sind berufen, zu reifen und menschlich zu entwickeln.
Deshalb ist es so entscheidend, dass Kinder nicht einfach „erzogen“, sondern in ihrer Entwicklung begleitet werden. Dass wir Entwicklung als gemeinsames Wachsen verstehen – nicht als Leistung. Und dass auch wir Erwachsene uns selbst immer wieder auf diesen inneren Weg einladen lassen.

„Zwei Dinge sollten Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel“ Johann Wolfgang von Goethe
Der bindungsbasierte Entwicklungsansatz
Als ich den bindungsbasierten Entwicklungsansatz von Dr. Gordon Neufeld kennenlernte, veränderte sich meine Sicht auf das Menschsein grundlegend. Seine Worte berührten eine tiefe Sehnsucht in mir – nach echter Reifung, bei Kindern wie bei mir selbst.
In seinen Studien beschreibt Neufeld drei grundlegende Entwicklungspotenziale, die jedem Menschen innewohnen – vergleichbar einem inneren Bauplan. Doch wie weit sich dieser entfalten kann, hängt entscheidend davon ab, wie viel Geborgenheit, emotionale Sicherheit und Bindung ein Kind erfährt – vor allem durch seine Eltern und seine Familie so Neufeld.
Im Folgenden möchte ich diese drei Reifwerdungsprozesse näher beschreiben.
Die drei menschlichen Reifwerdungsprozesse nach Dr. Gordon Neufeld
Das menschliche Wachstum beruht auf drei inneren Prozessen, die in jedem Menschen angelegt sind. Doch sie entfalten sich nicht automatisch – sie brauchen fördernde Bedingungen: Ein Nest 🪹 wie Vögel 💞
- Der Emergenzprozess befähigt das Kind, als eigenständige Persönlichkeit handlungsfähig zu werden und ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit zu entwickeln.
- Der Adaptionsprozess befähigt einen Menschen, sich an die Umstände in seinem Leben zu adaptieren und Widrigkeiten zu überwinden.
- Der Integrarionsprozess hilft einem Kind, zu einem sozialen Wesen heranzuwachsen, mit der Fähigkeit, sich in Beziehungen einzubringen , ohne seine persönliche Integrität und Identität zu verleugnen.
( Deborah MacNamara, Vertrauen Spielen Wachsen, Seite 39 + 40)

Das Buch ist in jeder Buchladen oder online erhältlich.
Die drei Entwicklungsprozesse – was sie bedeuten und wie ich sie praktisch erlebe
Der Integrationsprozess- die Kraft, ganz ich selbst zu sein – auch inmitten anderer
„Der Integrationsprozess unterstützt ein Kind dabei,
sich zu einem sozialen Menschen zu entwickeln, der in der Lage ist,
Beziehungen einzugehen und mit anderen in Verbindung zu treten –
und das, ohne sich selbst zu verlieren oder seine eigene Identität aufzugeben.“
Als ich diesen Satz vor vielen Jahren zum ersten Mal las, traf er mich mitten ins Herz. Damals trug ich eine tiefe Sehnsucht in mir: In einer Gruppe einfach einmal meine Meinung sagen zu können – ohne inneren Druck, ohne Angst davor, abgelehnt oder missverstanden zu werden.
Doch immer wenn ich sprechen wollte, bekam ich Herzklopfen. Meine Stimme zitterte, meine Hände wurden feucht, mein ganzer Körper stand unter Spannung. Es war, als würde mein Inneres sich dagegen wehren, sichtbar zu werden.
Durch das Verständnis des Integrationsprozesses erkannte ich etwas Entscheidendes: Dass ich ein Recht auf meine eigene Meinung habe. In mir ist es bereits angelegt – dieses Potenzial, ein eigenes Selbst zu sein. Mir selbst treu zu bleiben, auch im Gespräch. Und mich zugleich mit dem anderen verbunden zu fühlen. Nicht im Entweder-oder, sondern im Sowohl meine Seite -als-auch deine Seite – jenseits von Schwarz und Weiss.
Meine Angst hat mir dabei etwas Wichtiges gezeigt. Sie war kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Hinweis darauf, dass dieser Entwicklungsschritt in mir blockiert war. Und gleichzeitig tauchte ein inneres Bild auf – ein Bild von mir selbst, wie ich ruhig, klar und verbunden meine Wahrheit spreche. Von da an wuchs in mir der Wunsch, mich genau in dieses Bild zu verwandeln.
Kindern die Kraft geben sich selber zu werden
Die angelegte Fähigkeit zur Reifung
Kinder kommen nicht als fertige menschliche Wesen zur Welt. Und doch tragen sie von Anfang an ein unglaubliches Potenzial in sich: die Fähigkeit, sich in reife, verantwortungsbewusste und mitfühlende Menschen zu entwickeln. Sie haben das innere Vermögen zur Impulskontrolle. Sie können lernen, die Perspektive anderer einzunehmen, rücksichtsvoll zu sein, zu kooperieren, Gerechtigkeit zu verstehen, sich selbst zu regulieren – und mutig zu handeln.
Diese Fähigkeiten müssen nicht „anerzogen“ werden. Sie sind in ihnen angelegt – wie ein Samenkorn, das wachsen will. Aber dieses Wachstum braucht passende Bedingungen.
Meine persönliche Wende
Irgendwann auf meinem Weg als Mutter wurde mir etwas Entscheidendes bewusst: Ich bin nicht dafür verantwortlich, dass mein Kind sich immer „richtig“ oder „angepasst“ verhält. Meine Aufgabe ist es nicht, das Verhalten der Kinder zu kontrollieren. Meine Aufgabe ist es, Bedingungen zu schaffen, unter denen der Reifungsprozess meines Kindes in Gang kommen kann.
Das war ein tiefgreifender Perspektivwechsel für mich – auch in meiner Arbeit mit Kindern in der Spielgruppe. Es geht nicht darum, sie zu formen oder zu korrigieren. Es geht darum, ihnen Räume zu eröffnen, in denen sie wachsen dürfen. Langsam aber stetig durfte ich mein Denken über kindliches Verhalten verändern. Meine Reaktionen auf kindliches Verhalten hat entscheidend damit zu tun was ich sehe und wie ich das Verhalten deuten.
Die Vision innerer Entwicklung
Besonders ein Vers aus der Bibel hat mich in diesem Zusammenhang berührt: „Ohne prophetische Weisung wird ein Volk zügellos. Wie glücklich ist ein Volk, das auf Gottes Gesetz hört!“
(Sprüche 29,18) Dieser Vers hat mir eine geistliche Dimension für meine Haltung als Mutter eröffnet. Eine Vision ist wie ein innerer Kompass. Sie zeigt mir, in welche Richtung Entwicklung geschehen kann – nicht durch Kontrolle und Zwang, sondern durch Führung, Geduld und Beziehung.
So erlebe ich das Entwicklungsmodell von Dr. Gordon Neufeld: Es gibt mir eine Richtung, eine Zielvorstellung – nicht zum Funktionieren, sondern zur menschlichen Reifwerdung.
Kinder mit Vision begleiten
Kinder ohne innere Vision grosszuziehen – ohne ein lebendiges Bild davon, in welche Richtung sie sich entfalten dürfen – das kann ich mir heute nicht mehr vorstellen. Gerade in dieser schnellen, lauten und oft überfordernden Welt brauchen wir Eltern eine klare innere Orientierung – im Denken wie im Fühlen. Wir brauchen Vertrauen: dass Entwicklung von innen kommt. Und Geduld: sie wachsen zu lassen.
Ich glaube: Wenn wir Kindern Räume schenken – Räume der Geborgenheit, der Loyalität, der Zugehörigkeit und der Wertschätzung – dann geben wir ihnen die Kraft, ganz sie selbst zu werden.
Wenn Kinder geborgen aufwachsen, gilt eine tiefe Verheißung: Sie werden reifen – auch wenn wir nicht alles verstehen oder einordnen können. Das Samenkorn geht auf.
Nicht jede Mutter, nicht jeder Vater hat Zeit oder Möglichkeiten, Pädagogik oder Entwicklungspsychologie zu studieren. Aber jede/r kann anfangen, mit dem Herzen zu sehen. Und das ist vielleicht der wichtigste Anfang überhaupt.

Was siehst du?🤔 Ein trotziges Kind, das sich verweigert – oder ein verletztes Kind, das sich allein fühlt? Was du siehst, bestimmt, wie du handelst.
Der Adaptionsprozess – Tränen die stark machen
„Durch den Adaptionsprozess entwickelt das Kind die Fähigkeit,
mit Frustration umzugehen und sich innerlich an das anzupassen,
was es nicht verändern kann.“
Kinder wachsen nicht nur durch Erfolg, sondern auch durch Enttäuschung – wenn sie erleben, dass Wünsche nicht immer erfüllt werden. Genau hier beginnt der Adaptionsprozess: das innere Anpassen an etwas, das sich nicht ändern lässt.
Diese Prozesse beginnen früh – oft unscheinbar: ein Nein zur Süssigkeit, ein entschiedenes Nein der Eltern, das Ende eines schönen Spiels oder die Trennung an der Spielgruppentür. Wenn das Kind diese Realität betrauern darf – ohne überredet oder abgelenkt zu werden – geschieht etwas Kostbares: Die Tränen helfen dem Kind, innerlich weich zu werden und sich auf gesunde Weise an die Wirklichkeit anzupassen.
Dr. Gordon Neufeld beschreibt diesen inneren Reifungsschritt als „Tanz der Adaption“. Er besteht aus zwei Elementen:
- Die Mauer der Vergeblichkeit – das klare, liebevoll gesetzte Nein.
- Der Engel des Trostes – die tröstende Begleitung des Schmerzes, ohne etwas ändern zu müssen.
In diesem Tanz liegt der Schlüssel zur emotionalen Reife. Das Kind lernt: Ich darf traurig sein – und bin trotzdem nicht allein. Diese Tränen sind kein Scheitern. Sie sind heilsam. Sie bereiten den Boden für Anpassungsfähigkeit, innere Stärke und echte Resilienz.
Ein Bibelvers, der diesen Prozess wunderschön spiegelt, ist Markus 14,36, als Jesus im Garten Gethsemane betet:
„Abba, Vater, alles ist dir möglich. Nimm diesen Kelch von mir weg!
Doch nicht, was ich will, sondern was du willst! „
Jesus geht durch eine innere Vergeblichkeit – nicht ohne Schmerz, aber im Vertrauen. Kinder, die durch Frustration und Tränen begleitet werden, entwickeln Vertrauen – nicht nur zu uns, sondern auch ins Leben und ihre Kraft Konflikte und Herausforderungen meistern zu können und nicht daran zerbrechen zu müssen.
Mehr über den Adaptionsprozess erfährst du in meinem Blogartikel „Vom Karfreitag zum Ostersonntag: Wie Kinder im Trennungs-Schmerz Halt finden und innerlich wachsen“ Ich freue mich, wenn du dort vorbeischaust!

Tränen sind nicht das Problem. Tränen heilen das Problem. 💞
Der Emergenz Prozess – Das Aufblühen und Sichtbarwerden der Persönlichkeit
„Durch den Emergenz Prozess wächst das Kind in seine Einzigartigkeit hinein –
und entdeckt dabei, dass es selbst etwas bewegen und gestalten kann.“
Immer wenn ich über den Emergenz Prozess nachdenke, erinnert mich eine Szene aus dem Film „Unter der Sonne der Toskana“ aus dem Jahr 2003 besonders stark daran. Hast du den Film auch gesehen? 😊Die schwangere Patti besucht ihre Freundin Franzis in der Toskana. Im Krankenhaus in Florenz bringt Patti ihr Baby zur Welt. Franzis hält das neugeborene Kind im Arm, öffnet die alten, grossen Holzläden – diese typischen Fensterläden, die das warme Licht der Toskana hereinlassen – und sagt zu ihrer Freundin:
„Ein Kind auf die Welt bringen heisst auf Italienisch: ‘Dare alla luce’ – ans Licht bringen.“
Diese bildhafte, liebevolle Ausdrucksweise drückt etwas so Schönes und Wesentliches aus: „ein Kind gebären“ heisst im Italienischen „ans Licht bringen“.
Der Ursprung dieser Worte verbindet sich tief mit dem lateinischen „emergere“ – was bedeutet, aus etwas herauszutreten, emporzusteigen, aufzutauchen. So wie ein Kind aus dem Dunkel des Mutterleibs ins helle Leben, ans Licht tritt, so entfaltet sich auch die Persönlichkeit – innerlich sichtbar und handlungsfähig.
„Dare alla luce“ heisst also nicht nur ein Kind zur Welt bringen, sondern steht für das „Ans-Licht-Bringen“ – das Hervortreten ins Leben. Genau so verstehe ich den Emergenz Prozess:
Es ist eine seelische Geburt, ein innerliches Aufblühen, das schon in jedem Kind angelegt ist.
Die sich entwickelnde Persönlichkeit taucht nach und nach aus dem Inneren hervor,
wird lebendig und handlungsfähig. Wunderschön ☀️🌞
Dieses Bild fasziniert mich: Ein Kind wird ins Licht geboren, und ebenso darf seine Persönlichkeit immer mehr ans Licht kommen – Stück für Stück, Schritt für Schritt. Emergenz ist mehr als Entwicklung – es ist ein leises, innerliches Aufsteigen ins Leben.
Sichtbar werden
Der Emergenz Prozess bedeutet nicht nur das innere „Aufblühen“ eines Kindes. Er zeigt sich auch im Sichtbarwerden der menschlichen Persönlichkeit: darin, Wünsche zu äusern, Bedürfnisse zu erkennen und eine eigene Berufung zu entdecken und zu leben.. Besonders wenn ich an das berufliche Selbstständig werden denken, steht die Frage oft im Raum: Wie werde ich Sichtbar für meine Kunden? Wenn du das nächste Mal auf Instagram oder einem anderen Social-Media-Kanal unterwegs bist, achte mal genau darauf: Sichtbarkeit ist ein grosses Thema für Berater, Coaches und Trainer.
Viele von uns kennen dieses Gefühl, sich nicht wirklich zeigen zu können, aus Scham nicht „sichtbar zu werden“ – als wäre da eine innere Hemmschwelle, die uns zurückhält. Dieses Zurückhalten hat viel mit dem Emergenz Prozess zu tun. Denn sichtbar werden heisst auch, das eigene Selbst nach aussen zu tragen, mit all seiner Einzigartigkeit und Verletzlichkeit.

Scham macht unsichtbar. Nicht weil wir es wollen, sondern weil wir glauben, wir dürften nicht sichtbar sein.
Als ich auf der Bühne in die Unsichtbarkeit schrumpfte
Ich erinnere mich an eine Szene während meiner Clown-Ausbildung. Eine Clown-Ausbildung passiert nicht im Sitzen – wir mussten jedes Stück Wissen, jede Lehre sofort auf der Bühne umsetzen. Uns zeigen. Vor der ganzen Gruppe stehen. Ich erinnere mich besonders an eine Übung, bei der wir zeigen sollten, was für ein Clown wir sind: ein großer Clown, ein kleiner Clown – oder ein ganz kleiner. In der Vorbereitung sagte die Gruppe zu mir: »Du bist doch ein großer Clown.« Der große Clown ist präsent, selbstbewusst, nimmt den Raum ein. Ich dachte darüber nach und spürte: Ja. Das bin ich vielleicht.
Doch als ich dann tatsächlich auf der Bühne stand – alle Augen auf mich gerichtet, hinten im Raum die Coaches – begannen die herausfordernden Fragen. Mit jeder Frage wurde ich kleiner. Der Schmerz wuchs. Ich wollte nur noch verschwinden. Der Erdboden sollte sich öffnen und mich verschlucken, damit ich diesen Schmerz der Beschämung nicht mehr fühlen musste.
Etwas in mir wurde tief getriggert. Doch ich hatte damals bereits ein wenig von Entwicklung verstanden. Ich hatte schon etwas innere Reife. Das hat mich gerettet. Ich durfte danach mit einer Freundin sprechen, alles erzählen, weinen, mich trösten lassen.
Ich erkannte: Ich wollte gar kein »grosser Clown« sein. Ich wollte einfach ich selbst sein. Mich zeigen – als Mensch. Sagen können: Ich bin auch da. Mich gibt es. Und weil Clownsein ein Spiel ist, ein geschützter Raum, liess ich mich damals überhaupt auf dieses Bühnenspiel ein. Es war eine von diesen seltenen Chance, ein Lichtfenster sozusagen – und ich bin von Herzen dankbar, dass mein Mut grösser war als meine Angst.“
Am Sonntag kehrte ich zurück – mutig – in die Ausbildung. Und auf die Bühne. Nicht als grosser Clown. Sondern als ganz kleiner, schüchterner Clown. Und in diesem Moment lernte ich, die Bühne neu zu betreten – auf meine Weise.
Ich bin damals ein Stück aus meiner Unsichtbarkeit herausgereift. Und ich bin heute noch auf dem Weg – in eine Grösse, die sich manchmal klein und unscheinbar anfühlt.
Ja, manchmal sind es genau diese schmerzhaften Momente, die uns Erwachsene auf den Weg in die Sichtbarkeit führen. In die Sichtbarkeit unserer Persönlichkeit – und unseres Menschseins.
„Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.
So soll euer Licht leuchten vor den Menschen,
damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Jesusworte aus dem Matthäusevangelium 5,14-16
Das kann heissen: Sichtbar zu sein und unser Gutes, Wahre und Schöne nach aussen strahlen zu lassen – ganz authentisch und mutig. Ja das kann ganz schön herausfordernd sein!😊

Fliexi, mein kleiner Clown, der ich bin – und der grosse Schritt in die Sichtbarkeit 🤡😅
Fazit
Ich glaube tief im Herzen, dass unsere menschliche Entwicklung hier auf Erden nicht abgeschlossen ist. Wir sind nicht „fertig“, nicht irgendwann „vollendet“. Reifung ist ein Weg – einer, der uns durchs ganze Leben begleitet und vielleicht sogar darüber hinaus weiterführt.
Diese Sichtweise nimmt mir den Druck, ständig an mir arbeiten oder in Rekordzeit „wachsen“ zu müssen. In einer Gesellschaft, die Leistung, Tempo und Selbstoptimierung feiert, will ich mich erinnern: Wahres Wachstum braucht Zeit. Es darf langsam sein. Es darf reifen – wie ein Baum, der seine Wurzeln still und tief in die Erde streckt. Besonders berührt mich in diesem Zusammenhang ein Vers aus der Apostelgeschichte:
„In ihm (Jesus Christus) leben, weben und sind wir.“
(Apostelgeschichte 17,28)
Was für ein kraftvoller Satz! Er erinnert mich daran, dass Entwicklung – echte, gesunde Entwicklung – immer in Beziehung geschieht. In der Beziehung zu Gott. Und in den Beziehungen zueinander.
Wir Eltern haben den Auftrag, unseren Kindern genau diesen Raum zu geben: einen Ort der Geborgenheit, in dem das kindliche Selbst wachsen und sich entfalten darf. In dem Kinder ihre Potenziale entdecken – wie Bindungsfähigkeit, innere Stärke, Selbstwirksamkeit, Mitgefühl und Mut.
Diese Entwicklung geschieht nicht „aus eigener Kraft“, sondern eingebettet in Beziehung – getragen von Liebe, begleitet von Trost, genährt durch Halt und Grenzen. Und so bleibe ich in meiner eigenen Sehnsucht und meinem Glauben mit Paulus verbunden, der schreibt:
„Denn ich bin überzeugt, dass die Leiden der jetzigen Zeit nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll.“
(Römer 8,18)
Ich glaube: Diese Herrlichkeit ist bereits in uns angelegt. Und unser Reifungsweg – mit all seinen Tränen, seinem Warten, seinem Ringen – bringt sie Schritt für Schritt ans Licht.
Hier nochmals der Link zum Blogartikel: Vom Karfreitag zum Ostersonntag: Wie Kinder im Trennungs-Schmerz Halt finden und innerlich wachsen
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Herzlichst
Karin